Monat: April 2022

Tag 5: Sunrise Trailhead Tentsite (59.7) nach Scissors Crossing (77.3) – 17.6 Meilen

Heute fängt der Tag schon mal großartig an, denn es ist mein Geburtstag, juchuu! Ich lasse es etwas ruhiger angehen und bin der letzte, der von unserem Zeltplatz aufbricht. Sobald ich den ersten Berg erklommen habe, nutze ich den Empfang um mit Hilke und Familie zu telefonieren. Danach gönne ich mir mit Joseph an einem schattigen Plätzchen ein zweites Frühstück. Da fast kein Wind geht, ist es morgens schon direkt wieder sehr warm.

Unterwegs habe ich dann meine erste richtige Begegnung mit einer Klapperschlange. Ich erschrecke plötzlich von einen Geräusch und stelle fest, dass ich beinahe auf die Schlange getreten wäre. Schnell macht sie sich mit dem typischen Geräusch aus dem Staub.

Kurz darauf treffe ich auf eine Frau (Chris) aus Ohio. Sie hat sich den Fuß verdreht und ist gerade wieder auf dem Rückweg zur nächsten Straße. Es wird einem schnell klar, das mit einem falschen Tritt, die Reise auch schnell vorbei sein kann. Hoffentlich geht es ihr bald wieder besser und sie kann auf den Trail zurückkehren.

Gegen Mittag erreiche ich die einzige Wasserstelle des Tages. Dort treffe ich auf François. Er und Joseph wollen noch ein wenig verweilen und erst morgen nach Julian. Ich erfahre auch, dass die andern aber doch heute schon Julian erreichen werden, was bedeutet, dass sich unsere Gruppe anscheinend etwas aufteilt. Ich weiß noch nicht genau, was ich machen soll, denn es sind nur 8 Meilen bis Julian und es ist erst 12:15. Auch kenne ich mein Lauftempo noch nicht genau um zu beurteilen, mit wem dies am besten harmoniert. Also mache ich mich erstmal allein weiter auf den Weg um mir weiter beide Optionen offen zu halten. Während ich darüber grüble und mich auch frage, wie schwer es wohl sein wird, eine Unterkunft in Julien zu finden, passiert etwas, was auf dem PCT allgemein als ‚The Trail provides‘ bekannt ist: Ich treffe auf Monkey Hands und Barbora, ein Paar aus der Slowakei, die mir erzählen, dass man in Julian bei Becky (Train Angel) im Garten zelten kann und dort auch Duschen und Wäschewaschen möglich ist. Und man wird sogar vom Trail abgeholt. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und schließe mich ihnen gerne für den Rest der Strecke an. Die Aussicht doch noch ein richtiges Geburtstagsessen zu bekommen, ist einfach zu verlockend. Auf dem Weg gabeln wir auch noch Larry aus Seattle auf, der sich uns auch gerne anschließt. So erreichen wir zu viert schließlich Scissors Crossing, eine Unterführung unter der Straße nach Julian, wo man einfach per Anhalter mitgenommen werden kann. Wir haben Glück und können direkt mit Rangel mitfahren. Er ist ebenfalls ein Trailangel und einfach unglaublich. An dem Tag war es für ihn bereits die elfte Tour, bei der er Hiker mitgenommen hat und alles nur um unsere fröhlichen und dankbaren Gesichter zu sehen. Wenn man also in der normalen Welt doch manchmal an der Menschheit zweifelt, ist der PCT ein Phänomen, das einen wieder mehr an das Gute in den Menschen glauben lässt. Es ist einfach unglaublich, wie nett und hilfsbereit hier viele Leute sind.

In Julian fährt uns Rangel direkt zur Brewery und geht selbst noch mit uns etwas essen. So bekomme ich doch noch eine Geburtstagspizza und lade die andern noch auf Bier anlässlich diesen tolles Tages ein. Als die anderen dann noch ein Geburtstagständchen anstimmen, bei dem sogar noch andere Gäste der Kneipe einsteigen, bin ich restlos begeistert. Was für ein toller Tag!

Später werden wir noch von Becky abgeholt. Es ist bereits dunkel, als wir unser Zelt aufbauen, weswegen wir dann auch schnell schlummern.

PS: Vielen Dank an alle Glückwünsche und Nachrichten zu meinem Geburtstag! Es bedeutet mir sehr viel und ich habe mich über jede einzelne sehr gefreut!

Tag 4: Mount Laguna (41.5) nach Sunrise Trailhead Tentsite (59.7) – 18.2 Meilen

Die Nacht ist wieder sehr kalt. Ich musste zusätzlich alle Klamotten anziehen, damit mir nicht kalt ist. Zum Glück habe ich noch zusätzliche Daune in meinen Quilt ( Schlafsack) füllen lassen. Der Tag fängt dafür schon mal gut an, denn man kann ein richtiges Waschbecken auf dem Campingplatz benutzen. Danach geht es auch schon gleich gegen 07:00 los. Wieder verändert sich die Landschaft. Die Ausblicke werden jetzt noch spektakulärer und abwechslungsreicher.

Beim nächsten Wasserstopp wird kurz Pause gemacht und das Zelt getrocknet. Beim Weiterlaufen entscheide ich mich bei Meile 50.2 einen kleinen Neben-Trail zu laufen um den Garnet Peak zu erklimmen (wieso ein paar extra Meter scheuen, wenn man schon den PCT läuft). Bei der Mittagshitze ist das vielleicht nicht die beste Idee, aber oben hat man eine spektakuläre 360-Grad Aussicht. Danach schließe ich wieder zu den anderen auf und komme etwas erschöpft am nächsten Rastplatz an. Erst kann ich meinen Augen nicht trauen, aber es ist real: Trail Magic! John (Coke Dog) erwartet mich schon und es gibt gegrillte Hot Dogs und eine kühle Cola. Das schmeckt nach so langer Wanderung einfach fantastisch!

Insgesamt haben wir von hilfsbereiten Amerikanern innerhalb der kurzen Zeit schon soviel Gutes erfahren, dass ich absolut begeistert bin. Die PCT-Community macht hier wirklich einen wesentlichen Teil der Erfahrungen aus und dafür können wir Hiker nur mehr als dankbar sein.

Frisch gestärkt geht es dann noch mal 8 Meilen weiter zur nächsten Wasserquelle. Das Wasser in einem Tank ist schon etwas grün, aber wofür hat man denn einen Wasserfilter dabei! Kurz darauf haben wir den nächsten Zeltplatz erreicht und näheren uns mit den Tagesmeilen den 20 weiter an.

Tag 3: Kitchen Creek (29.8) nach Mount Laguna (41.5) – 11.7 Meilen

Das Cowboy Camping haben wir überlebt, allerdings haben wir dabei auch direkt gelernt: Übernachte nicht direkt am Fluss, den die Kondensation ist hier besonders hoch. Zusätzlich war es in der Nacht doch recht frisch, jedenfalls waren in den frühen Morgenstunden meine Socken (die sich am Tag vorher einer 1. Waschung im Fluss erfreuen durften) gefroren. Insgesamt bin ich definitiv froh, dass ich alle Wärmesachen mitgenommen habe.

Als die Sonne den Neben betreibt, geht es früh los. Bei Meile 33.3 passiert es: Die erste Schlange! Wir machen erst mittags eine Pause um unsere feuchten Schlagsäcke zu trocknen. Das Ziel für heute ist Mount Laguna. Danach kommt ein Schutzgebiet, in dem man für 13 Meilen nicht campen darf, deshalb ist die Strecke heute etwas kürzer. Was aber nicht schlimm ist, denn mittlerweile sind die Beine doch etwas schwerer. Langsam scheint dem Körper die Belastung klar zu werden und es wird wohl auch noch etwas dauern, bis man sich daran gewöhnt hat.

In Mount Laguna gibt es das Pine House Café, was nur bis 16:00 geöffnet hat und wo wir gerne den ersten Burger der Tour essen wollen. Deshalb beeilen wir uns etwas durch jetzt mehr waldige Gebiete und schaffen es tatsächlich rechtzeitig, so dass auch sogar das 1. Bier der Tour drin ist (ein Mango Cart). Danach muss ich noch schnell in den einzigen Shop und mir aus einer mäßigen Auswahl das Essen für die nächsten Tage zu kaufen – mal sehen wie lecker das wird. Den Rest des Tages verbringen wir auf dem Camping Platz (Burnt Rancheria Campground). Da es recht windig und kalt ist, verkriecht sich jeder gegen bald in den Schlafsack.

Tag 2: Hauser Creek (15.4) nach Kitchen Creek (29.8) – 14.4 Meilen

Die erste Nacht im Zelt war bisher die beste, da ich immerhin mal 6 Stunden am Stück schlafen konnte. Was vermutlich auch daran lag, dass man den ganzen Tag gewandert ist. Nach Frühstück und Zusammenpacken ging es sofort mit einem Mega-Anstieg los. Nachdem dieser bewältigt war, haben wir vormittags Lake Morena erreicht und dies direkt mit einem Frühstücks-Burrito aus einem Malt Shop belohnt. Schmeckt selbst nach ein paar Meilen schon doppelt gut!

Heute sind wieder weiter in unseren kleinen Gruppe unterwegs: Mit dabei sind Zdeněk aus Tschechien, Vanessa (Fannie) aus Deutschland, François aus Frankreich, Petri Anne aus den Niederlanden und Joseph aus Iowa, USA. Also eine bunt gemischte Truppe, mit der die Bewältigung der ersten PCT-Herausforderungen gleich viel mehr Spaß macht.

Am frühen Nachmittag haben wir Pause am Boulder Oaks Campground gemacht. Dort gab es zum ersten Mal Trail Magic! Das sind kleine Geschenke von netten Leuten, die den Wanderern etwas Gutes tun möchten. Wir haben von der Camping-Verwalterin leckere Limonade bekommen!

Gegen 17 Uhr sind wir dann am Kitchen Creek angekommen und man konnte endlich mal seine Füße im kalten Wasser baden. Nach dem Essen gab es dann noch eine Premiere: Cowboy Camping, d.h. man übernachtet ohne Zelt und hat somit wunderbare Sicht auf den Sternenhimmel.

Tag 1: Southern Terminus (0.0) nach Hauser Creek (15.4) – 15.4 Meilen

Der Tag beginnt früh. Um 05:00 werden die Sachen gepackt, dann noch ein schnelles Frühstück und schon befinden wir uns auf dem Weg zum Southern Terminus, dem Startpunkt des Pacific Crest Trail. Direkt an der Grenze zu México kann ich das Monument bestaunen und bin begeistert. Lange Zeit habe ich mich gefragt, an was man in diesem Moment wohl denkt. Jetzt weiß ich, dass es eine Mischung aus Dankbarkeit und Vorfreude ist. Wenn ein langjähriger Traum in Erfüllung geht, ist das immer etwas ganz Besonderes.

Es werden die obligatorischen Fotos vor dem Monument gemacht und wir strecken auch schnell mal die Hand über die Grenze nach México. Dann geht es tatsächlich los. Wir starten in einer kleinen Gruppe aus Leuten, die ich von Frodo & Scout schon kannte und schnell sind die ersten Meilen absolviert. Das ging leichter als gedacht! Aber es geht auch bergab und später kommen erst die Anstiege. Nachdem wir bei Meile 4.2 unsere Wasservorräte auffüllen, gehen wir dann mit 6 Litern Wasser weiter. Das ist auch nötig, denn die Temperaturen sind hoch. In der Mittagshitze quälen wir uns weiter, machen dann noch noch eine kurze Siesta und kommen gegen 17:30 auf unserem anvisierten Zeltplatz an. Die ersten 15 Meilen sind geschafft! Die Zelte werden aufgebaut und auf kleinen Kochern noch etwas zubereitet um etwas Energie zurückzugewinnen. Gegen 20 Uhr ist Schluss, schließlich soll es am nächsten Morgen früh wieder weitergehen.

Letzte Vorbereitungen bei Scout & Frodo

Die erste Nacht war noch etwas unruhig. Das mag zum einen sicher am Jetlag liegen. Zum anderen aber auch an der Tatsache, dass sich der Körper an einen Wechsel von weicher Matratze mit Viskose-Topper „Schlafen wie auf Woken“ zu elementarer Ultraleicht-Matratze noch etwas gewöhnen muss.

Das Frühstück war lecker, vor allem die schon als Spezialität angepriesenen Pumpkin-Muffins. Frisch gestärkt konnte man sich dann an die weiteren Vorbereitungen machen. So habe ich genauer die Pakete inspiziert, die ich mir schon aus Deutschland hierher bestellt hatte und der Weg zum Supermarkt stand an um die Verpflegung für die ersten Tage zu kaufen. Als Ausländer ist man da erstmal etwas überfordert mit der Auswahl und Zusammenstellung, was dazu führt, dass man nach bestem Gewissen einfach irgendwas nimmt. Mit der Zeit wird man schon feststellen, was gut schmeckt und wieviel man genau braucht. Zum Glück gibt es nach den ersten 20 Meilen schon einen Kiosk, wo man zur Not noch korrigieren kann, sollte man sich jetzt verschätzt haben

Zum Mittagessen gab es Mexican Food um die Ecke und im Anschluss bin ich noch mit zu einem Gear-Store gefahren um noch letzte Kleinigkeiten zu besorgen. Als ich mich dort mit einem Store-Mitarbeiter unterhielt, stellte sich heraus, dass er ebenfalls PCT Supporter ist und Erklärvideos gemacht hat, die ich im Vorfeld schon angeschaut hatte. Die Leute sind hier bisher alle super freundlich und hilfsbereit.

Zurück bei Scout & Frodo gab es Nachmittagsprogramm wie Line Dance lernen oder auch Gespräche darüber, was einem beim Wandern wichtig ist. Außerdem haben wir jetzt alle ein Tattoo 😉

Beim Dinner wurden wieder viele leckere Sachen aufgetischt und beim wichtigen After Dinner Talk noch wertvolle Tipps und Hinweise gegeben. Zuletzt hat uns Frodo noch zu einem AT&T Shop gefahren, damit wir eine US SIM-Karte kaufen konnten. Damit sind die Vorbereitungen abgeschlossen und die Zeit bei Scout und Frodo neigt sich dem Ende zu.

Insgesamt bin ich glücklich und dankbar, dass ich doch noch die Möglichkeit hatte, diese wunderbaren Menschen kennenzulernen.

Ankunft in San Diego

Bei der Ankunft in San Diego ist alles gut gelaufen. Den Grenzbeamten konnte ich glücklicherweise überzeugen, mich für 6 Monate ins Land zu lassen. Dann habe ich mich auf den Weg zu Scout & Frodo‘s gemacht. Sie gehören zu den bekanntesten Trail Angels, die über bereits tausende Hiker aufgenommen haben um ihnen einen guten Start auf dem Trail zu ermöglichen. Und das einfach um Gutes zu tun ohne eine Gegenleistung dafür anzunehmen. Klar, dass ich die beiden und weitere Helfer gerne kennenlernen wollte.

Und tatsächlich hätte man sich keine bessere Ankunft wünschen können. Obwohl ich etwas später ankam, da ich mich auf dem Weg noch kurz verlaufen hatte, habe ich noch ein Abendessen und auch eine Führung über alle Annehmlichkeiten vor Ort erhalten. Und es stellte sich heraus, dass doch mehr Deutsche als gedacht hier sind. So habe ich noch 5 andere Deutsche und weitere Hiker aus Schweden, Tschechien und Frankreich kennenlernen dürfen. Es wurde auch noch eine WhatsApp-Gruppe gegründet um sich auf dem Trail austauschen zu können. Ein anstrengender, aber guter Tag!

2020?, 2021? 2022!

Als ich das erste Mal vom Pacific Crest Trail gehört habe, war ich sofort fasziniert. Es klang nach einem großen Abenteuer, eine Herausforderung, bei der man gleichzeitig die atemberaubende Natur der Westküste in den USA kennenlernt. Die Länge? 4265km. Die Zahl klingt schon beeindruckend. Kann man sowas schaffen? Wie lange muss man dafür einplanen? Und wieso ist man so verrückt, überhaupt darüber nachzudenken?

Vermutlich muss man mit einer gewissen Naivität an so ein Projekt herangehen. Ansonsten findet man schnell genügend Gründe, es nicht zu tun. Was wiederum die Gefahr birgt, dass man sich später ärgert, es nicht wenigstens versucht zu haben.

Aus diesem Grund habe ich Anfang 2020 alle Bedenken über Bord geworfen und versucht, ein Permit zu ergattern. Da man aufgrund von Klimabedingungen nur innerhalb eines bestimmten Zeitfensters nach Norden starten sollte und der Trail relativ populär ist, wurde die Teilnehmerzahl innerhalb dieses Zeitraums auf 50 pro Tag beschränkt. Also die erste Herausforderung! Neben dem Permit, Visa, das Zusammenstellen der Ausrüstung und der weiteren Planung hat 2020 relativ viel geklappt – bis auf ein winziges Detail: COVID-19. Was bis dahin nur schwer vorstellbar war, brachte meine Pläne abrupt zum Erliegen. Sollte ich das Projekt auf 2021 verschieben?

Es stellte sich heraus, dass auch 2021 kein gutes Jahr für dieses Vorhaben war. Es wäre evtl. nur eine Einreise über México mit vierzehntägiger Quarantäne möglich gewesen, aber einen Impfschutz hatte man bis dahin auch noch nicht. Also 2022?

2022 sollte das letzte Jahr sein, in dem ich dem Projekt PCT noch eine Chance geben wollte. Und tatsächlich sitze ich jetzt am Flughafen München und warte auf meinen Weiterflug nach San Diego. Wie alles wird? Ungewiss. Es wird einem plötzlich bewusst, was man, zumindest für eine unbestimmte Zeit, zurücklässt. Auf was man sich jetzt schon wieder freut, wenn man zurückkommt. Auf der anderen Seite erwartet einen ein großes Abenteuer. Und da sollten doch ein paar tolle Erfahrungen drin sein, oder? Wir werden sehen. Schritt für Schritt…